War der Ort Herrnhut als Exulantensiedlung noch ohne eine feste Planung gewachsen, so wurde Herrnhaag für die Erfordernisse der inzwischen deutlich geprägten Lebens- und Dienstgemeinschaft der Brüdergemeine konzipiert.
Damit ist Herrnhaag die erste planmäßig angelegte Herrnhuter Siedlung.
Sie wurde zum Modell für viele Brüdergemeingründungen in Europa und in Übersee. Neben der Ortsanlage als Ganzes ist auch der Herrnhaager Versammlungssaal zum Prototyp des Herrnhuter Kirchensaals geworden. Als Architekten kennen wir den am Dresdner Hofe geschulten Siegmund August von Gersdorff. Auf ihn geht die Architektur zurück, die hier in der Wetterau als “sächsischer Barock” bezeichnet wird. Dass zu den erhaltenen Resten der Herrnhaager Siedlung der Kirchensaal gehört, macht den Herrnhaag noch heute zu einem Kleinod kirchlicher Baugeschichte.
In der Architektur und in der Anlage des Ortes Herrnhaag kommen Frömmigkeit und Gemeindeverständnis klar zum Ausdruck. Gemeinde ist nach Überzeugung der Brüder nicht in erster Linie dort, Gottesdienste gehalten werden, sondern überall wo Christen in enger Gemeinschaft miteinander leben und arbeiten. So sind die wesentlichen Gemeinschaftsgebäude um einen quadratischen Platz angeordnet, dessen Mitte der Brunnen ist. Ein eigentliches Kirchengebäude gibt es nicht. Der zweistöckige Versammlungssaal, von außen nicht erkennbar, befindet sich in dem großen Gemeinhaus, heute “Grafenhaus” oder im Volksmund auch “Lichtenburg” genannt. Es wurde als großes “Wohnzimmer der Gemeinde” (Zinzendorf) verstanden und diente nicht nur als Kirchensaal für Gottesdienste sondern auch für alle Zusammenkünfte, die einen großen Raum benötigten. Charakteristisch für das Leben in einer Brüdergemeine war, dass kein Glied allein leben musste. Alle, die ohne Familie waren, unverheiratete Frauen, ledige Männer, Witwen und Witwer, lebten und arbeiteten in ihren jeweiligen Gemeinschaftshäusern, den so genannten “Chorhäusern”. Jugendliche fanden hier ihre Ausbildung, Alte ihre Versorgung durch die Gemeinde. Diese vier Chorhäuser bildeten äußerlich die Eckpunkte des Platzes und waren auch innerlich die tragenden Pfeiler der Gemeinde und ihrer diakonischen und missionarischen Aufgaben. Das Schwesternhaus ist als Zeuge dieser Gemeindestruktur erhalten geblieben
Tüchtige Handwerker, Maler, Musiker, Architekten und Künstler stellten hier ihre Fähigkeiten in den Dienst der Gemeinde. Von ihnen gelangte die Künstlerfamilie Roentgen zu Weltruhm. Seine Ausstrahlung hat der Ort durch die schlichte Schönheit seiner Barockhäuser, die ein sichtbarer Ausdruck der dort einmal gelebten fröhlichen Frömmigkeit ist.